Wärmewende ist das Stiefkind der Energiewende - Landesregierung ohne Strategie und Ausbauziele - Die Kosten betreffend droht eine Gerechtigkeitslücke
Beunruhigt zeigt sich die Stuttgarter SPD-Landtagsabgeordnete Katrin Steinhülb-Joos angesichts der Antworten der Landesregierung auf ihre Anfrage zum Stand der Wärmewende im Land: „Die Landeregierung will von Energieversorgern und Stadtwerken bis in 17 Jahren Klimaneutralität, hat selbst aber keine Strategie wie diese zu erreichen wäre. Die Landesregierung kann auch keine Aussage zu den notwendigen Investitionen und voraussichtlichen finanziellen Belastungen für die Kund:innen und Verbraucher:innen geben.
„Wir empfehlen der Landesregierung bereits ausgearbeitete Dekarbonisierungsstrategien für die Wärmewende in ihren Planungsprozess einzubeziehen“, rät Steinhülb-Joos. Hier verweist sie auf die vorliegende Studie des Ökoinstituts Freiburg und des Hamburg Instituts im Auftrag von Agora Energiewende und Stiftung Klimaneutralität. Nach 10 Jahren grün geführter Landespolitik stellt Steinhülb-Joos die Frage, warum in den letzten Jahren nicht durch das Umweltministerium selbst derartige Studien beauftragt wurden. „Dabei würden sie erkennen, dass die Fuel-Switch-Strategie der EnBW (von Kohle auf Gas auf Wasserstoff) völlig unzureichend ist für eine Umstellung vorhandener Fernwärmenetze. Regenerativ erzeugter Wasserstoff – und das räumt die Landesregierung selbst ein - wird in den 2030er-Jahren knapp und teuer sein. Die heutigen Fernwärmekunden werden diese Mehrkosten in Zukunft tragen müssen“, ist die Landtagsabgeordnete überzeugt. Dass dies eine große Hypothek für die Energiewende sein wird, da ist sich Steinhülb-Joos sicher. Deshalb fordert die SPD-Landtagsabgeordnete die Landesregierung auf, bei der Erarbeitung einer Landeswärmestrategie neben Ausbauzielen, Fördermaßnahmen und Finanzbedarf vor allem auch die Kosten für die Verbraucher:innen in den Blick zu nehmen: „Wenn Heizkosten abhängig von Wohnlage, Energieträger und Wohnsituation werden, dann droht uns eine massive Gerechtigkeitslücke. Nur dann, wenn Klimagerechtigkeit mit sozialer Gerechtigkeit einhergeht und sich jede*r Nachhaltigkeit leisten kann, schließen sich Klimagerechtigkeit und breite Zustimmung in der Bevölkerung nicht aus.“
Auch die seitens der Landesregierung skizzierte Importabhängigkeit beim Wasserstoff kritisiert die Expertin für die Wärmewende in der SPD-Landtagsfraktion: „Es ist absolut unklar woher die Landesregierung den Wasserstoff beziehen will und auf welchen Wegen und zu welchem Preis er ins Land kommt. Wir fordern die Landesregierung daher auf, den für die Wärmeversorgung notwendigen Wasserstoff möglichst im Lande selbst zu produzieren und nicht einseitig auf Importmöglichkeiten zu hoffen. Hierzu kann der im Sommer produzierte Überschuss an regenerativ erzeugten Strom genutzt werden, dies ist spätestens in den frühen 30er-Jahren in großen Mengen zu erwarten. Nicht nur, dass die Wertschöpfung in Baden-Württemberg läge, dies würde vor allem Transport- und Logistikkosten sparen und damit regenerativ erzeugten Wasserstoff verbilligen.“ Daher fordert Steinhülb-Joos die Landesregierung auf, stärker in Anlagen zu investieren, die Abwärme, Erdwärme, Flusswärme und Umgebungsluft mittels Wärmepumpen für die Fernwärmeerzeugung nutzen und dahingehend auch auf die EnBW einzuwirken. Ihrer Überzeugung nach wäre es höchst ungerecht derartige Investitionen auf die nächsten Generationen zu verschieben. Es ist völlig inakzeptabel, dass die Landesregierung in ihrer Antwort strategische Überzeugungen zitiert, anstatt eigene Antworten zu geben und von der EnBW eine überzeugende Dekarbonisierungsstrategie der EnBW-eigenen Fernwärmenetzte zu verlangen.
Neben der Umstellung auf klimaneutrale Mobilität, emissionsfreie Industrie und Stromversorgung zählt die Umstellung der Wärmeversorgung aller Gebäude zu den größten Herausforderungen auf dem Weg zur Klimaneutralität und dem Erreichen der Pariser Klimaziele. Mit einem Anteil von 26 % der gesamten energiebedingten CO2¬Emis¬sionen sind Strom- und Wärmeerzeugung die zweitgrößte Quellgruppe für Treibhausgase nach dem Verkehr.
Den enormen Handlungsdruck im Bereich Wärmeversorgung thematisiert die Stuttgarter SPD-Landtagsabgeordnete ebenfalls und kommt zu einem Fazit, das aufhorchen lässt: „Ganz offensichtlich ist die Wärmewende das Stiefkind der Energiewende und der Landesregierung. Wie anders ist es zu erklären, dass die Landesregierung weder Ausbauziele für erneuerbare Energieversorgung nennen kann, noch weiß, woher die klimaneutralen Energieträger Biogas und Wasserstoff im Jahr 2035 oder 2040 herkommen sollen?“ Dabei muss landesweit durch das Vorziehen des Zieldatums für das Erreichen der Klimaneutralität im Land durch den grün-schwarzen Koalitionsvertrag auf das Jahr 2040 in allen 1101 Städten und Gemeinden des Landes nun zehn Jahre früher ohne Verbrennung fossiler Brennstoffe die Wärmeversorgung bereitgestellt werden. „Diese Diskrepanz zwischen ambitionierten und erneut verschärften Zielen und leeren Konzeptblöcken in der Planung muss Grün-Schwarz schleunigst ausfüllen“, fordert Steinhülb-Joos und verspricht deshalb die Schritte der Landesregierung genau zu beobachten.
Katrin Steinhülb-Joos, SPD-Landtagsabgeordnete für Stuttgart