Steinhülb-Joos: “So werden Schüler*innen abhängig von ihrer sozialen und kulturellen Herkunft benachteiligt”
Zum Tag der Bildung fordert die Stuttgarter SPD-Abgeordnete Bildungschancen gerechter zu verteilen.
Die schulpolitische Sprecherin der SPD-Landtagsfraktion, Katrin Steinhülb-Joos, fordert die Landesregierung auf, allen Schüler*innen gleichberechtigte Chancen auf einen erfolgreichen Bildungsweg zu ermöglichen.
Wie aus der aktuellen, repräsentativen forsa-Umfrage „Optimistisch aber systemkritisch – Der Übergang von der Schule in den Beruf im Stimmungsbild junger Menschen“ hervorgeht, ist nur knapp ein Drittel (32%) aller befragten Jugendlichen und jungen Erwachsenen der Meinung, dass alle Kinder in Deutschland unabhängig von ihrer sozialen und kulturellen Herkunft die gleichen Chancen auf gute Bildung haben. 2018 haben dieser Annahme noch mehr als die Hälfte (51%) der Befragten zugestimmt.
Die ehemalige Rektorin einer Gemeinschaftsschule, Steinhülb-Joos, ist von dem Wandel im Stimmungsbild der befragten Personen nicht überrascht, schließlich lasse sich dieser auch mit Daten belegen. Die Zahl junger Erwachsener ohne abgeschlossene Berufsausbildung steigt seit 8 Jahren kontinuierlich an. „Die Jugendlichen“, so die Stuttgarter Abgeordnete, „haben ein Recht auf Unterstützung – unser Staat kann sich so viele Schülerinnen und Schüler ohne Abschluss einer dualen, schulischen oder akademischen Ausbildung definitiv nicht leisten.“
Steinhülb-Joos fordert die Landesregierung auf, mehr in die berufliche Orientierung zu investieren, denn jeder Euro sei eine Investition in die Zukunft und zahle sich mehrfach aus. Tatsächlich hat die grün-schwarze Landesregierung zuletzt ein schlechtes Bild beim Ausbau von Angeboten der Berufsorientierung abgegeben; im September vergangenen Jahres war ein Gesetzentwurf der SPD gescheitert, die verbindliche Berufsorientierung auch an Gymnasien im Schulgesetz zu verankern. Ministerin Schopper selbst räumte ein, an Gymnasien stünde allein die Studierfähigkeit im Mittelpunkt.
Aus falscher Sparsamkeit ist die Landesregierung darüber hinaus aus der Co-Finanzierung der Berufseinstiegsbegleitung (BereB) ausgestiegen – und hat damit einer erfolgreichen Fördermaßnahme ohne Not das finanzielle Fundament entzogen. Das Programm spricht junge Menschen in schwierigen Lebenslagen an. Von den knapp 3.000 Teilnehmer*innen konnten über 70 Prozent in Ausbildung und weiterführende Maßnahmen vermittelt werden. Trotzdem stoppt die Landesregierung anders als das Nachbarland Bayern die Co-Finanzierung dieser wichtigen Einrichtung. Das Land Baden-Württemberg war zu einem Viertel an der Finanzierung des Programms beteiligt; 50 Prozent der Kosten übernahm die Bundesagentur für Arbeit und 25 Prozent wurden durch dritte Partner wie Kommunen, Landkreise oder Vereine finanziert. Das Land Bayern übernimmt nun sogar 50 Prozent der Kosten. Die Berufseinstiegsbegleitung findet an Gemeinschaftsschulen, Werkrealschulen, Realschulen und Sonderpädagogischen Bildungs- und Beratungszentren statt. Steinhülb-Joos: „Damit adressiert es zielgenau diejenigen, die am meisten von der Begleitung profitieren – ein wichtiges Instrument für mehr Bildungsgerechtigkeit.“
Die Abgeordnete Steinhülb-Joos sieht sich mit bekannten Mustern konfrontiert. Es sei an der Zeit, dass die Landesregierung Defizite nicht nur eingesteht, sondern endlich behebt. Berufsorientierung sei ein derart heikler Moment im Leben eines jungen Menschen, dass hier alle möglichen Optionen auf den Tisch kommen müssen. Dabei komme es besonders auf das richtige Timing an, ist sich Steinhülb-Joos sicher: „Wer nicht schon in der Schule angesprochen, unterstützt und umfassend begleitet wird, droht verlorenzugehen.“ Den Moment zu nutzen und junge Menschen anzusprechen, solange sie noch in der Schule sind, sei immens wichtig und mache die Berufseinstiegsbegleitung so erfolgreich. „Wenn Grün-Schwarz nicht endlich ins Handeln kommt, trägt diese Landesregierung schwere Verantwortung an vielen komplizierten und viel zu oft missglückten Starts in das Berufsleben“, so Steinhülb-Joos.
Katrin Steinhülb-Joos, SPD-Landtagsabgeordnete für Stuttgart
Hintergrund: In Baden-Württemberg gibt es eine hohe und zuletzt gestiegene Zahl an jungen Menschen im Alter von 20 bis 34 Jahren ohne Abschluss einer dualen, schulischen oder akademischen Ausbildung. 2022 lag ihre Zahl bei 379.000, ihr Anteil innerhalb dieser Altersklasse lag bei 17,7 Prozent (Bund: 19,2 Prozent).
Quelle: Statistisches Landesamt Baden-Württemberg, Statistisches Monatsheft Baden-Württemberg 8/2023 – „Junge Erwachsene ohne abgeschlossene Berufsausbildung“
Schon im Sommer hatten Schülerinnen und Schüler in Baden-Württemberg angegeben neben mehr politischer und praktischer Bildung vor allem bessere Orientierung bei der Frage zu erwarten, welchen Beruf sie ergreifen sollen. Das waren laut einem Bericht des Südwestrundfunks die wichtigsten Forderungen, die 50 Mitglieder von regionalen Jugendkonferenzen an Kultusministerin Theresa Schopper und Landessozialminister Manfred Lucha (beide Grüne) bei einem Treffen in Stuttgart gestellt hatten.