"Kultusministerium auch nach zweitem Abgeordnetenbrief und über 40 Rückmeldungen von Schulleitungen beratungsresistent”
Katrin Steinhülb-Joos kritisiert erneute Ablehnung einer weiteren Förderzusage des Landes für erfolgreiche Maßnahme der Berufseinstiegsbegleitung
Die Landesregierung will die Fördermaßnahme Berufseinstiegsbegleitung, kurz BerEb, ab dem kommenden Schuljahr nicht mehr unterstützen. Das Kultusministerium hat eine entsprechende Forderung der SPD-Landtagsabgeordneten Katrin Steinhülb-Joos erneut abgelehnt. BerEb spricht junge Menschen in schwierigen Lebenslagen an. Sie werden von Expert*innen bis zu 30 Monate beim Übergang von der Schule zur Ausbildungsstelle begleitet. Individuelle Berufsorientierung sowie Hilfe bei schulischen und privaten Problemen machen das Programm erfolgreich. Dies haben mehr als 40 Schulen Katrin Steinhülb-Joos geschildert.
Selbst Kultusministerin Theresa Schopper (Grüne) räumt in einem Schreiben an die Abgeordnete ein, dass die Maßnahme Erfolge zeige. Sie lehne die weitere Unterstützung aber ab, weil nur ein Teil der infrage kommenden Schulen das Programm nutzten. Katrin Steinhülb-Joos kritisiert diese Begründung: „Statt zu überlegen, wie möglichst viele Schulen das Programm nutzen können, schleicht sich die Landesregierung aus ihrer Verantwortung und streicht ihre Unterstützung.“ Und das trotz des Erfolgs von BerEb: Von den knapp 3000 Teilnehmer*innen konnten über 70 Prozent in Ausbildung und weiterführende Maßnahmen vermittelt werden.
Die Verantwortung des Landes ist gerade in diesem sensiblen Bereich sehr hoch: Die Landesregierung gefährde die Zukunft von über 1000 jungen Menschen pro Jahr, um weniger als eine Million Euro pro Jahr zu sparen, so Steinhülb-Joos: „Ich halte es von der Landesregierung nicht für besonders klug, ein erfolgreiches Programm aus kurzsichtigen Spar-Erwägungen zu kippen. Der Preis ist viel zu hoch: Wenn wir später ansetzen, müssen wir viel aufwändiger fördern, um annähernd gleiche Erfolge zu erzielen.“ Hier kritisiert Steinhülb-Joos besonders, dass die Alternativen der Landesregierung sich an Jugendliche richteten, welche die Schule bereits verlassen haben, manchmal ohne Abschluss: „In der Schule lassen sich die Jugendlichen viel besser und vor allem individuell zur Berufsorientierung ansprechen. Später erreichen wir viele dieser Jugendlichen nicht mehr, ohne BerEb sind sie verloren!“
Katrin Steinhülb-Joos spricht ihre Enttäuschung über die grün-schwarze Bildungspolitik an: „Wir lassen niemanden zurück, dieser bildungspolitische Grundsatz bedeutet dieser Landesregierung offenbar nichts mehr,“ erklärt die Landtagsabgeordnete. Die Rückmeldungen von 40 Schulen im ganzen Land zeigen, dass BerEb gerade denjenigen, die es am schwersten haben, eine Perspektive für eine selbstbestimmte Zukunft eröffnet hatte. Das gilt besonders für Jugendliche an den sonderpädagogischen Bildungs- und Beratungszentren (SBBZ). „Corona hat die Hindernisse für diese jungen Menschen so weit erhöht, dass ihnen noch weniger Chancen auf einen Beruf bleiben als je zuvor. Gerade sie brauchen die individuelle Unterstützung von BerEb.“
Steinhülb-Joos ist übrigens nicht alleine mit ihrer positiven Einschätzung zur Maßnahme. Die Bayerische Landesregierung hat nach Protesten von Schulen und Verbänden die BerEb-Kofinanzierung fortgesetzt. Im Nachbarbundesland wird die Hälfte der Kosten durch den Staat übernommen und nicht wie in Baden-Württemberg nur ein Viertel. Steinhülb-Joos: „Bayern hat offenbar ein besseres Gespür dafür, dass wir im Fachkräftemangel Ausbildungsmöglichkeiten für alle Jugendlichen schaffen müssen, auch wenn das manchmal aufwändig ist.“
Auch in der Landeshauptstadt soll die geförderte Berufsorientierung fortgesetzt werden, allerdings unter anderen Vorzeichen. Der Stuttgarter Jugendhilfe-Ausschuss hat einstimmig beschlossen, dass die Stadt für das Land einspringt Die Berufsbegleitung soll in Stuttgart aber nicht nur einfach weiterlaufen – das Arbeitsbündnis Jugend und Beruf soll in Kooperation mit den Trägern das Programm weiterentwickeln, Doppelstrukturen vermeiden und verbessern.
Dies ist eine Lösung nach dem Geschmack der Landesregierung. Sie favorisiert, dass die Kommunen auch den Kostenanteil des Landes übernehmen. Katrin Steinhülb-Joos warnt vor solchen Arrangements, da sie am Ende nur zulasten der Jugendlichen gehen: „Es kann nicht angehen, dass wir die Pflicht zur Bildungsgerechtigkeit an die Kommunen abtreten. Wie können in so einem System Jugendliche in finanzschwachen Gemeinden dieselben Chancen haben wie jene, die in reichen Kommunen aufwachsen? Bildungsgerechtigkeit ist aus guten Gründen die Aufgabe des Landes.“
In den vergangenen zwei Schuljahren wurden an 124 beruflichen sowie 144 allgemeinbildenden Schulen angehende Abgänger*innen zielgenau unterstützt. Die Maßnahmen wurden zur Hälfte von der Bundesagentur für Arbeit finanziert. Ein Viertel der Kosten bezahlen meist kommunale Schulträger, das verbliebene Viertel hatte die Landesregierung übernommen. 2021 betrug dieser Anteil knapp 935.000 Euro. Rund 50 Berufseinstiegsbegleiter*innen helfen im Land pro Schuljahr jeweils mehr als 1100 Schülerinnen und Schülern, ihren Weg ins Berufsleben zu finden und die ersten Monate der Ausbildung zu bewältigen.
Katrin Steinhülb-Joos, SPD-Landtagsabgeordnete für Stuttgart