Steinhülb-Joos: “Fehlende Planung wird auf dem Rücken der Studierenden ausgetragen”
Ministerium hat keinen Terminplan für die dringende Sanierung der Stuttgarter Uni-Bibliothek
Seit September 2023 befindet sich die Universitätsbibliothek in der Stuttgarter Innenstadt im Minimalbetrieb. Grund ist die völlig veraltete Elektrik des Gebäudes an der Holzgartenstraße, die einen Schwelbrand verursacht hatte. Mit der Beseitigung des Missstands lässt sich das Ministerium Zeit, wie aus seiner Antwort auf eine kleine Anfrage hervorgeht.
Schließungen von Hörsälen und der Präsenzbestände der Unibibliothek in der Stuttgarter Innenstadt. Eine Bibliothek, die seit ihrer Errichtung 1961 nie hinreichend saniert worden ist. Ein Bücherbestand, der nicht vor eindringenden Ratten gesichert werden konnte. Ein Bibliotheksbetrieb, der erst durch einen Wasserschaden und seit dem vergangenen Jahr durch einen Schwelbrand in seiner Funktionstüchtigkeit stark eingeschränkt worden ist. Studierende, die nur eingeschränkt an die Fachliteratur herankommen und denen es an Arbeitsplätzen mit Steckdosen fehlt - das bedeutet Studieren in der Stuttgarter City.
„Der Zustand der Universitätsbibliothek gleicht einem Desaster - und das seit Monaten“, kritisiert die SPD-Landtagsabgeordnete Katrin Steinhülb-Joos. „Das zögerliche Verhalten und die fehlende Planung durch die Ministerialbürokratie unter der grünen Wissenschaftsministerin Petra Olschowski wird auf dem Rücken der Studierenden ausgetragen und beeinflusst die Attraktivität des Bildungsstandorts in der Landeshauptstadt“, sagt die Stuttgarter Parlamentarierin und stellt sich so hinter die Studierenden.
Die Universitätsbibliothek in der Stuttgarter Innenstadt ist nach einem Kabelbrand in der völlig veralteten Elektrik nur noch eingeschränkt nutzbar. Bücher können nur nach einer Online-Vorbestellung ausgeliehen werden. Der Präsenzbestand der Bibliothek, von dem am Innenstadt-Standort vor allem Studierende der Geisteswissenschaften profitieren, ist für Studierende seither unerreichbar. Bibliotheksarbeitsplätze sind in einem Containerbau und im Foyer, der Kataloghalle sowie im Vortragsraum untergebracht und werden von Studierendenvertretern als unzureichend beschrieben.
Einer Auflistung des Wissenschaftsministeriums zufolge haben sich die Arbeitsplätze mit Stromanschluss in der Stuttgarter Uni zwischen dem Sommersemester 2023 und dem aktuellen Wintersemester um 399 verringert. Hinzu kommt, dass aktuell Hörsäle geschlossen sind, weil die Universität Anfang Januar einer Einsparanforderung des Ministeriums folgt, nach welcher der ohnehin schon unterfinanzierte Uni-Betrieb 20 Prozent der zusätzlichen Energiekosten selbst aufbringen muss. Ministerin Olschowski bezeichnete das als Beitrag der Uni zum Klimaschutz.
Für Steinhülb-Joos ist das nicht nachvollziehbar. „Offenbar ist der Wissenschaftsministerin, die ja selbst Stuttgarter Landtagsabgeordnete ist, der reibungslose Betrieb einer der größten Universität im Lande samt der zugehörigen Bibliothek nicht so wichtig“, kritisiert die SPD-Abgeordnete. Die Studierenden sind nun wie in der Corona-Zeit auf Online-Vorlesungen angewiesen.
Auf schnelle Abhilfe können sich die Studierenden nicht verlassen, wie die Antwort der Ministerin auf eine Anfrage Steinhülb-Joos’ offenbart. Ein Terminplan für die Sanierung gibt es nicht, Geld scheint - momentan - zwar vorhanden, teilt das Ministerium mit, allerdings könne das mangels Planung nicht ausgegeben werden. Grundlage der Planung sei ein Betriebskonzept der Uni-Bibliothek, das neben dem Standort in der Stadtmitte auch das Gebäude in Stuttgart-Vaihingen einbezieht. Neben der Erarbeitung einer Grundkonzeption soll eine Taskforce den Betrieb der Bibliothek weiterhin sichern - ein denkbar vages Konzept, so Steinhülb-Joos.
Den Standort Vaihingen nennt das Ministerium auch als Ausweichmöglichkeit für Studierende, die keinen der 275 Arbeits- und Leseplätze in der Innenstadt ergattern konnten. Zwar bietet die Großbücherei an sieben Tagen die Woche Zugang von 10.00 bis 22.00 Uhr. Allerdings hilft das Angebot aufgrund der Entfernung zwischen Hörsaal und Arbeitsplatz und der unsicheren S-Bahnverbindung von mindestens einer halben Stunde Fahrzeit den Studierenden nicht viel. Auch andere Bibliotheken nennt das Ministerium als Ausweichmöglichkeiten, was die Studierendenvertreter allerdings ebenfalls als unzureichend beschreiben.
Von der Idee, einen Ersatzneubau zu errichten, ist das Ministerium mittlerweile abgerückt. Anders als in einer Anfrageantwort von 2022 (Drucksache 17/2380) ist laut aktueller Auskunft kein Ersatzneubau geplant. Stattdessen soll das Altgebäude saniert und effizienter gemacht werden. Der Interimsbetrieb soll es vermutlich an der Holzgartenstraße weitergehen, sofern Vermögen und Bau keinen passenden Ersatzbau findet. „Auch diese Unwägbarkeiten sprechen nicht gerade von einem fortgeschrittenen Konzept für einen alten Problemfall“, so Steinhülb-Joos.
Katrin Steinhülb-Joos, SPD-Landtagsabgeordnete für Stuttgart