Katrin Steinhülb-Joos: "Jede und jeder Einzelne an unseren Schulen ist in Anbetracht der angespannten Lehrkraftsituation enorm wichtig.”
"Wir dürfen nicht nur den Mangel verwalten, sondern sind für die Qualität an Baden-Württembergs Schulen verantwortlich!”
Dieses Fazit zieht die Landtagsabgeordnete für Stuttgart aus den vorliegenden Zahlen zum Schuljahresanfang in Stuttgart und aus den Antworten des Kultusministeriums auf ihren Ministerbrief zur Situation von Referendarinnen, Referendaren und anderem Personal speziell an den Sonderpädagogischen Bildungs- und Beratungszentren. Gerade an dieser Schulart hat der Lehrkräftemangel große Auswirkungen auf die Schülerinnen und Schüler. Sonderpädagog*innen werden von den Sonderpädagogischen Bildungs- und Beratungszentren entweder in diesen selbst oder in den inklusiven Settings an allgemeinbildenden Schulen eingesetzt. Entstanden war der Ministerbrief als Initiative aus einem Schulleitungstreffen, welches die Abgeordnete für Stuttgart initiiert hatte. Schulleitungen aller Schularten waren eingeladen, sich mit ihr über die aktuellen Probleme und Herausforderungen an den Schulen speziell in Stuttgart auszutauschen. Der Umgang mit den Referendar*innen und weiteren an der Schule beschäftigten Personen spielte dabei eine große Rolle. Dies nahm Katrin Steinhülb-Joos zum Anlass, einen Ministerbrief an das Kultusministerium zu schreiben und sich dort über die Lage zu erkundigen.
„Feste Bezugspersonen und kleine Klassen sind essentiell für die Sonderpädagogischen Bildungs- und Beratungszentren wie auch für inklusive Settings. Durch die Politik der Landesregierung, trotz Lehrkräftemangel auch Referendarinnen, Referendare und weiteres unterstützendes Personal ohne Lehrbefähigung nur befristet einzustellen und über die Sommerferien zu entlassen, wird die Situation weiter verschärft“, ist Katrin Steinhülb-Joos überzeugt.
Auch an den Stuttgarter Sonderpädagogischen Bildungs- und Beratungszentren ist die Lage zu Beginn des neuen Schuljahres angespannt. Dies betont auch Michael Hirn, stellvertretender Landesvorsitzender der GEW Baden-Württemberg. „Kein SBBZ ist zu hundert Prozent versorgt. Wenn die Versorgung über 80 Prozent liegt, gilt das inzwischen als verhältnismäßig gute Versorgung. Es gibt aber auch SBBZ, die noch deutlich schlechter versorgt sind. An einigen SBBZ kann schon zu Beginn des Schuljahrs der Pflichtunterricht nicht voll erteilt werden. Zusätzliche Förderung, die gerade bei diesen Schüler*innen für eine umfassende Bildung notwendig ist, findet an allen SBBZ nur eingeschränkt statt. Wenn jedes Jahr neue Kolleg*innen ohne Lehramtsausbildung eingearbeitet werden müssen, ist das eine Belastung für die Schulen. Und die Qualität des Unterrichts leidet unter dem häufigen wechselnden Personal.“ Auch er ist davon überzeugt, dass es personelle Kontinuität an den Schulen braucht, die man durch eine dauerhafte Beschäftigung ohne Befristungen erreichen kann.
Die Aussage des Ministeriums, es handele sich nur um einen kleinen Anteil an Lehrkräften, die dieser Praxis unterliegen, erschüttert die Abgeordnete. „Wir brauchen jede Hand und können es uns nicht leisten, durch eine unsägliche Personalpolitik Lehrkräfte und unterstützendes Personal zu verlieren.“
Ihr Vorschlag: „Gerade in Anbetracht der steigenden Lebenshaltungskosten und der Tatsache, dass die Sommerferien zur Vorbereitung auf das kommende Schuljahr zwingend genutzt werden müssen, sollten Referendarinnen und Referendare über die Sommerferien weiterbezahlt werden. Nicht nur an den SBBZ´s, dort ist es aber besonders dringend.“
Aber auch die Personen, die ohne Lehramtsbefähigung an den Sonderpädagogischen Bildungs- und Beratungszentren wertvolle Arbeit leisten, brauchen Klarheit und Verlässlichkeit. „Derzeit läuft der Schulbetrieb an den SBBZ´s nicht ohne diese Personengruppe. Auch sie brauchen eine wertschätzende Personalpolitik“, sagt die Landtagsabgeordnete. Bislang besteht die Möglichkeit, nach 30 Monaten im Schuldienst und mit guten Bewertungen der Schule sowie von Seiten der Schulaufsichtsbehörde, unbefristet übernommen zu werden. Vielen ist dies nicht bekannt, die Fortbildungen hierzu beginnen erst im Herbst. Viel zu spät. „Hier hätte die Landesregierung schon viel früher aktiv werden müssen, um Personal mit Erfahrung nicht von Befristung zu Befristung zu schicken, sondern ihnen Perspektiven aufzuzeigen. Wir brauchen eine progressive, aktiv auf die Beschäftigten zugehende Personalpolitik, die wertschätzend bereits Beschäftigte hält, ihnen Perspektiven aufzeigt und so auch für neue Personen attraktiv ist und offensteht.“
Insgesamt startet Stuttgart schlecht versorgt ins neue Schuljahr, was der Abgeordneten Sorgen bereitet. „Derzeit wird allein der Mangel verwaltet. 52 Lehrkraftstellen sowie insgesamt 9 Stellen in Rektoraten und Konrektoraten sind nicht besetzt. Die Krankheitsreserve ist mit Beginn des Schuljahres schon komplett im Einsatz. Fällt nur eine Kraft zum Beispiel wegen einer Schwangerschaft aus, wird die Schule keinerlei Ersatz bekommen, sondern muss aus eigenen Kräften vertreten. Das ist eine ungute und ungesunde Situation für alle Beteiligten.“
Ganz besonders kritisch sieht die Abgeordnete die Praxis auf Grund des Mangels Klassen zusammenzulegen und dabei sogar über den eigentlichen Klassenteiler hinauszugehen. „Große Klassen erschweren die individuelle Förderung der Kinder und stehen damit auch der Bildungsgerechtigkeit entgegen. Ich appelliere an die Landesregierung, nun endlich die im Koalitionsvertrag versprochenen sozialdatenatlasbezogene Ressourcenverteilung umzusetzen und so diese Schulen mit mehr Unterstützung auszustatten. Dazu gehört auch, genau hinzuschauen und diesen bereits besonders belasteten Schulen nicht noch weitere Aufgaben zuzuteilen. Besonders bei der Verteilung der Flüchtlingskinder in Regelklassen muss darauf geschaut werden, dass diese Kinder nicht in vollbesetzte Klassen kommen.“
Katrin Steinhülb-Joos: „Ich weiß, dass trotz der prekären Situation an den Schulen auch in diesem Schuljahr dort wieder hervorragende Arbeit von allen am Schulleben Beteiligten geleistet werden wird. Ich werde weiterhin genau dafür einstehen, nicht nur wieder den Mangel zu verwalten, sondern endlich eine Wende zu mehr Qualität und zum Besseren zu schaffen und Schule wieder zu dem machen, was sie eigentlich sein sollte: Eine Institution zur ganzheitlichen Menschenbildung.
Katrin Steinhülb-Joos, SPD-Landtagsabgeordnete für Stuttgart